Mahmud Doulatabadi
Foto Stephan Wallocha

Mahmud Doulatabadi

Mahmud Doulatabadi, geboren 1940 im Nordosten Irans, arbeitete in der Landwirtschaft und als Handwerker. Später absolvierte er die Theaterakademie in Teheran und war eine Zeit lang Schauspieler. Aus politischen Gründen war er zwei Jahre in Haft. Mahmud Doulatabadi gilt als bedeutendster Vertreter der zeitgenössischen persischen Prosa; er lebt mit seiner Familie als freier Schriftsteller und Universitätsdozent für Literatur in Teheran.

Ausführliche Biografie

Mahmud Doulatabadi gilt als bedeutendster Vertreter der zeitgenössischen persischen Prosa. Er hat zahlreiche Erzählungen, mehrere Romane, Drehbücher und Theaterstücke, aber auch Dutzende von literaturkritischen sowie politischen Essays verfasst. Hinter dieser kurzen Aufzählung seines Schaffens steckt ein bewegtes, leidenschaftliches Leben:

Mahmud Doulatabadi wurde 1940 in Dowlatabad – einem Dorf in der Provinz Khorasan, die zwischen Teheran und Meched liegt – geboren. Er wuchs in einer kinderreichen Familie mit neun Geschwistern auf. Sein Vater, ein einfacher Mann, besaß trotz seiner bescheidenen Ausbildung eine große Vorliebe für die persische Literatur; Ferdowsi, Saadi und Hafez waren ihm vertraut. Er hatte sich vorgenommen, Doulatabadi zur geistlichen Ausbildung in die Stadt zu schicken, aber der Plan zerschlug sich, und der siebenjährige Junge blieb im Dorf. Obgleich zart und zerbrechlich, half er bei allem, was man von einem Jungen seines Alters erwartete. So war er Schafhirte, Land- und Bauarbeiter, Schuhmachergehilfe in des Vaters eigener kleiner Werkstatt, Fahrradmechaniker, Baumwollwäscher und nicht zuletzt Friseur – ein Beruf, mit dem er sich gelegentlich auch später noch das nötige Geld verschaffte.

Ein Wunder, dass ihm Zeit blieb, die Grundschule des Dorfes zu besuchen. Hier entdeckte er den Reiz des Lesens, vor allem der allgemein verbreiteten Volksdichtungen. Sie entzündeten und formten Doulatabadis Einbildungskraft – die sprühende Quelle all seines künstlerischen Schaffens – ebenso sehr wie die religiösen Zeremonien, die vielen volkstümlichen Feste und Bräuche.

Als Doulatabadi dreizehn Jahre alt war, verließ er sein Heimatdorf am Rande der Wüste. Eine turbulente Zeit begann. Zunächst machte er sich auf den Weg nach der mehrere Hundert Kilometer entfernten Stadt Eyvan-e Key, um als Saisonnier in den Feldern zu arbeiten, begab sich dann nach Teheran, verdiente da seinen Lebensunterhalt in einer kleinen Druckerei sowie in einem Schlachthaus – nein, nicht als Metzger, sondern als Friseur –, kehrte wieder zurück in sein Dorf und beabsichtigte, in Meched das Gymnasium zu beenden. Doch der Versuch scheiterte am fehlenden Geld. Abermals in Teheran, schlug er sich mit allen möglichen Arbeiten durchs Leben: Souffleur beim Theater, Billetkontrolleur im Kino, Anzeigensammler für die Tageszeitung Keyhan; eine andere Zeitung, der Ettelaat, setzte ihn fristlos, wegen »Rechtschreibfehlern«, auf die Straße. Strapaziert und bedrängt vom Gefühl, in ein absurdes Leben verstrickt zu sein, hoffte Doulatabadi beim Theater unterzukommen, denn eigentlich hatte es ihn nach Teheran gezogen, weil er hier, inzwischen zwanzig Jahre alt geworden, die Theaterakademie besuchen wollte. Allerdings war die Schule für Abiturienten gedacht, und es kostete ihn alle Mühe, zugelassen zu werden. Doulatabadi hatte Glück. Er bestand die Schauspielprüfung als Bester und wurde in das Ensemble eines Theaters aufgenommen. Darüber hinaus engagierte er sich in einem »Heim für die geistige Erziehung von Kindern und Jugendlichen«. Doch im März 1975 fand sein Glück ein abruptes Ende: Eines Abends erschien die Polizei und holte ihn inmitten einer Vorstellung von der Bühne weg. Aus politischen Gründen verschwand er für zwei Jahre hinter Gittern.

Bevor sich Mahmud Doulatabadi endgültig dem Schreiben zuwandte, versuchte er sich noch in anderen Gefilden, etwa beim Kino, wo er im Film Gav (»die Kuh«) des bekannten iranischen Regisseurs Dariyush Mehrdjouï mitwirkte. Es war dann aber die Lektüre von Tchekhor, Hedayat, Alavi und anderen, die ihm die Gewissheit gab, in der Welt der Buchstaben auf dem richtigen Weg zu sein. Seine erste Erzählung wurde in der dem Theater sowie der modernen Literatur gewidmeten Zeitschrift Anahita veröffentlicht. Mittlerweile hat sich Mahmud Doulatabadi einen Namen geschaffen, der aus dem persischen Kulturkreis nicht mehr wegzudenken ist.

Als Erstes wurden seine Erzählungen veröffentlicht, acht Sammlungen seit 1966. Es folgten Berichte, bevor er sich auf epische Romane einließ, die sein besonderes Markenzeichen werden sollten: Kelidar (1969 bis 1983), Der leere Platz von Ssolutsch (1979) und ein noch unvollendeter Zyklus Das Leben der Alten (drei Bände seit 1988). Kelidar, ein Roman von über 3000 Seiten, hat sich im Iran bislang an die 100000 Mal verkauft – ein einzigartiges Phänomen in der iranischen Verlagslandschaft. Die Abenteuer des ehrenwerten Banditen Gol Mohammad, des eingeschworenen Feindes der Großgrundbesitzer von Khorassan, das Leben der Nomaden und ihre Konfrontation mit einer möglichen Zukunft (repräsentiert von der Stadt) machen den Knoten der Handlung aus.

Doulatabadi ist sich seines persischen Erbes bewusst (doch Tausend Meilen von einem krampfhaften Nationalismus entfernt) und gibt zu, dass er eine Neigung zur realistischen Schreibweise jenseits vorgefasster Normen hegt: das Epos Ferdousi an der Spitze nimmt den ersten Rang in seinem Pantheon ein, doch kann man lyrische oder offen surrealistische Passagen in seiner Prosa ausmachen. Er denunziert Armut und unerträgliche Rückständigkeiten und beherrscht alle Mittel, sie in ihrem Schrecken wiederzugeben aber auch in ihrer Würze.

Doulatabadi verknüpft die poetischen Traditionen seiner Kultur mit der direkten, ungeschminkten Alltagssprache der Dörfer. Er hat die reiche, oft archaische Sprache der Geschichtenerzähler gewählt und stützt sich auf den reinen persischen Wortschatz, ohne die Worte arabischen Ursprungs. Dies ist bemerkenswert zu einer Zeit, da die Sprache unter dem prägenden, normierenden Druck der theologischen, papierenen Ausdrucksweise der gegenwärtig vorherrschenden Kultur steht.

Stimmen

»Er öffnet den Blick hinter die Mauern einer fremden Welt. Doulatabadi gilt zu Recht als bedeutendster Vertreter der zeitgenössischen iranischen Erzählkunst.«

Die Zeit

»Doulatabadi ist einer der großen iranischen Autoren, alle sprechen mit Respekt von ihm. Ein Übersetzer fragt mich, ob ich auch etwas von Teheran gesehen hätte, und ich antworte, ich sei mehr mit Menschen zusammengekommen als mit Sehenswürdigkeiten, erzähle von meinem Besuch bei Doulatabadi und sage, das sei für mich mindestens so schön wie eine Moschee, und er ruft aus: ›Er IST eine Moschee!‹«

Franz Hohler, WOZ - Die Wochenzeitung, Schweiz  Online einsehen

»Der Perser Mahmud Doulatabadi ist ein Epiker klassischen Zuschnitts wie Tolstoi oder Balzac. Keinen besseren Chronisten als ihn haben die iranischen Steppen, die verarmten Weiler, die Menschen ohne Stimme; kein Geschehen erscheint ihm zu gering, um nicht doch vom Erzählstrom erfasst zu werden.«

Stefan Weidner, Neue Zürcher Zeitung

»Deutschsprachige Leser können hier einen Erzähler vom Format eines Gabriel Garcia Márquez oder Salman Rushdie kennen lernen.«

Bijan Kabir, Wiener Zeitung

»Doulatabadi hat nicht nur die alten Meister des Orients gelesen, er kennt Kafka so genau wie Joyce oder Faulkner.«

Die Welt

Dokumente

Literaturpreis für Mahmud Doulatabadi 
Die Erklärung des Autors anlässlich der Vergabe des Preises »20 Jahre iranischer Roman« (1999)
Lächelnd vor Gericht 
Nach der Veranstaltung im Berliner Haus der Kulturen der Welt stehen die Teilnehmer in Teheran vor Gericht (November 2000)
Biography 
Life and Work of the Author

Nachrichten

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    Werke von Mahmud Doulatabadi

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    Von der Macht einer Liebe, die an noch größeren Mächten scheitert

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    »Das literarische Gegenstück zu Picassos Guernica.« Lutz Bunk, Deutschlandradio
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    »So wie der Wind weht und die Zweige sich bewegen, scheint es, dass dies das letzte Jahr ist, in dem wir diesen Boden bebauen können.«
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    »Ein Stück Weltliteratur, das nun auch für den deutschen Sprachraum zugänglich gemacht wird.« Michaela Grom, Süddeutscher Rundfunk
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    »Ich komme vom Rande der Salzwüste - vom Abgrund der Welt.« Mahmud Doulatabadi
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    »Ein Gesang aus der Hölle, einprägsam, unvergesslich.« Tages-Anzeiger, Zürich