Wie entstand dieses Buch?
An einem Sonntagmorgen nahm ich an einem illegalen Wettrennen teil, das von Kurieren für Kuriere organisiert wird. Irgendwie gewann ich das Rennen und schlug eine ganze Bande von Kurieren, die ich sehr bewunderte. Sie können sich nicht vorstellen, wie schockiert ich über meinen Sieg war. Am selben Tag begann ich über diese Erfahrung zu schreiben. Ein Freund las, was ich geschrieben hatte, und fragte mich, ob ich je daran gedacht habe, ein Buch über Radkuriere, eine Art Memoiren zu schreiben. So war der erste Same gesät.
Es war witzig: Ich versuchte herauszufinden, ob es zum Thema bereits etwas gab und fand nur ein einziges Buch. Es hieß Kurier, Kurier von Robert Burleigh, und war - was mich sehr erleichterte - für Kinder zwischen vier und acht geschrieben. Ich machte beinahe in die Hose vor Freude. Die Stimme des Kuriers war im Buchhandel noch nicht vernommen worden. So stand ich auf, um gehört zu werden.
Seit ich mit Schreiben begonnen habe, wurden drei andere Bücher über den Kurierdienst veröffentlicht. Zwei von ihnen, eines aus D.C., das andere aus San Fran, erschienen im Eigenverlag. Ein Drittes ist kürzlich in New York über die Mode der Kuriere verfasst worden. Die Welt scheint bereit zu sein für die Erfahrung des Kuriers.
Sie schreiben oft über Ihre Liebe zum Theater(und zur Kunst ganz allgemein) in Ihrem Buch. Konnten Sie sich je vorstellen, ein Buch zu schreiben?
Als die Idee, ein Buch über die Kultur der Kuriere zu verfassen, zum ersten Mal aufkam, fühlte ich mich nicht wohl beim Gedanken, meine Erinnerungen niederzuschreiben. Wie ein Stückeschreiber wollte ich eine kollektive Erfahrung, viele Stimmen erfassen. Ich wägte ab, ob ich nicht eine dynamischere Sicht erhalten könnte, vielleicht sogar einen genaueren Einblick in den Beruf geben könnte, wenn andere Sichtweisen einbezogen würden in das Projekt. Ich trommelte einige Freunde zusammen und hoffte, dass gemeinsam in der Form mehrerer Essays ein facettenreiches, erhellendes Buch entstehen könnten. Es stellte sich heraus, dass dieses Konzept, das zu einer Anthologie geführt hätte, nicht tragfähig war. Ein Problem war, dass einige der Autoren nicht genug an das Projekt glaubten und sich nicht wirklich engagierten. Das andere Problem war, dass Verlage nicht interessiert schienen, diese Sammlung zu publizieren. Ich war ganz schön enttäuscht, ließ mich aber dennoch nicht abhalten. Ich hatte mir vorgenommen, dieses Buch zu verwirklichen, und so fing ich eben selbst an zu schreiben.
Es gibt, und ich hoffe, dass dies das Buch auch vermittelt, viele Geschichten da draußen. hunderte, wenn nicht tausende, die für einen Leser interessant sind und seine Ansichten über Urbanität, Gleichberechtigung, Industrie, Klasse und Rasse etc. vielleicht in Frage stellen. Meine Geschichte ist eine unter vielen. Ich stürzte nicht ab von einem Berg, versank nicht in einem Schiff oder wurde nicht unter einer Lawine begraben. Nichts von dem macht mein Abenteuer wichtig. Als junger Mann überlebte ich bei einer normalen, alltäglichen und äußerst gefährlichen Arbeit. Eigentlich ist ist nicht die Intensität oder die ständige Gewalt schrecklich, sondern die bloße Tatsache dieser Intensität und dass sie jeden Tag von sehr ernsthaften Leuten wie Künstlern, Musikern gelebt wird - einige von ihnen sind sogar noch zu jung um Alkohol zu trinken. Die Frage, die ich stelle, ist nicht, wofür wir kämpfen in diesen »Gräben«, sondern warum unsere Städte so tief in barbarischen Formen von Gewalt verwurzelt sind. Gibt es irgendetwas, das wir tun können, um sie ruhiger, sicherer und menschlicher zu machen? Das ist meine Frage..
Sie stellen vielfältige sozialpolitische Fragen in diesem Buch. War dies von Anfang an Ihre Absicht, oder war es etwas das sich während dem Schreiben entwickelte?
Die Positionen, die ich in dem Buch einnehme, entstanden aus dem Bedürfnis heraus, als Fahrradfahrer auf den Straßen zu überleben. Sie kamen aus der Erfahrung heraus, aus der Anstrengung, sich der Aggressivität der Autofahrkultur anzupassen. Sie halfen mir mein Gefühl für meinen Platz in der Welt auszuloten. Mit einem Wort: Die sozialpolitischen Fragen sind Bestandteil des Buches. Um mich mit so viel Action und Aggressivität zu arrangieren, brauchte ich einen triftigen Grund, weshalb ich dort war und weshalb ich weiterhin fuhr. Persönlicher Gewinn war nicht genug. Ich brauchte die Idee von einer sicheren Umgebung, von einer starken Gemeinschaft, von funktionierender Demokratie. Wie beim Bogenschießen musste ich mich in den Gegenstand einfühlen, um mein Ziel zu erreichen.
Nietzsche schrieb, dass ein Soldat für sein Land besser kämpft als für sich selbst. Die Vorstellung von Heimat, die Vorstellung von Frieden, Gerechtigkeit, Arbeit, Wirtschaft, entspringt einem natürlichen Bedürfnis, den Menschen große Liebe entgegen zu bringen. Daraus zog ich Kraft und deshalb stehe ich heute hier und gehe vorwärts in meinem Leben.
Originalfassung: http://www.randomhouse.com/boldtype/0401/culley/interview.html