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»Ich war schon immer der Meinung, dass Politik und Fiktion untrennbar sind.«

Baha Taher: Ein Porträt

»Wir töten unsere Dichter mit unserem Schweigen, und wir töten sie mit unserem Vergessen. Wenn es stimmt, dass Dichter das Gewissen einer Nation sind: Welches Schicksal hat ein Land, das seine Dichter vergisst?«  Baha Taher, Love in Exile

Baha Taher wird häufig als Doyen der zeitgenössischen arabischen Literatur bezeichnet. Er ist einer der meistgelesenen Autoren in der arabischen Welt, und seine fesselnde Art, Geschichten zu erzählen, die Präzision und die Knappheit seines Stils werden weithin geschätzt. Seine sechs Romane sind von der Kritik gefeiert worden, und dank der Übersetzung seiner Werke (vier davon sind bereits auf Englisch und in anderen Sprachen erschienen) hat Taher mittlerweile auch ein internationales Publikum erreicht.

Ein zentrales Thema in Tahers Werk – unwiderstehlich unterhaltsam und zutiefst menschlich zugleich – ist die Beziehung zwischen Staat und Kultur, der Kampf um die Anerkennung künstlerischer Leistung, denn die Werke von Künstlern, Autoren und Intellektuellen sind ein Ausdruck des Innenlebens einer Gesellschaft, ein Abbild ihrer Stärken und Schwächen. In Ägypten, wo der künstlerische Ausdruck mal subtil, mal massiv durch staatliche Eingriffe manipuliert und behindert wird, ist diese kreative Stimme vom Aussterben bedroht, und mit ihr auch die Werte einer Kultur, die für ihre Langlebigkeit und ihre Überlebenskunst berühmt ist. Gemäß Emerson gibt es »keine Geschichte, nur Biografie«, und in diesem Sinne kann Tahers Werk verstanden werden als die Biografie eines Volkes, das in Widersprüchen gefangen ist; in seinem Werk erscheint Ägypten als Mikrokosmos der Menschheit.

»Ich war schon immer der Meinung, dass Politik und Fiktion untrennbar sind«, sagt Taher. »Es ist wichtig, die Erfahrungen gewöhnlicher Menschen zu beschreiben, denn was in der Politik geschieht, hat Auswirkungen auf unser aller Leben.« Als Student war Taher ein Befürworter der Prinzipien der Revolution von 1952 gewesen, welche die 72-jährige britische Besatzung beendete und den Königsstatus der 150-jährigen Mohammed-Ali-Dynastie aufhob. Der erste gewählte Präsident Gamal Abdel Nasser hat die ägyptische Öffentlichkeit mit stolzem Enthusiasmus angesteckt: »Alles, was sie uns genommen haben, holen wir uns zurück!«, rief er der jubelnden Menge zu an dem Tag, als der Suezkanal verstaatlicht wurde. Doch Nasser vermochte seine Versprechungen für mehr soziale Gerechtigkeit und Bürgerrechte nicht einzulösen. »Dennoch glaube ich, dass es eine gute Ära war«, sagt Taher, »und zwar in dem Sinne, dass wir die Vision eines unabhängigen und fortschrittlichen Landes hatten. In jenem Ägypten bin ich aufgewachsen, und ich glaube, dass jenes Ägypten auf dem richtigen Weg war.«

Als der Staat brutal gegen Gewerkschaften vorging und die Presse immer mehr in den Würgegriff der Zensur genommen wurde, bröckelten die Visionen dahin, erinnert sich Taher. Man habe es verpasst, die Bürger in den demokratischen Wandel einzubeziehen – vielleicht das schwerwiegendste Defizit jener Revolution: »Die Tatsache, dass das Volk gespalten war, erleichterte es dem neuen Regime, neben den Fehlleistungen der Revolution auch deren Errungenschaften zu beseitigen.«

Unter Nassers Nachfolger, Anwar as-Sadat, entfernte sich die Regierung noch weiter von den Bedürfnissen des Volkes; die Programme zur Förderung von Industrie und Landwirtschaft wurden aufgegeben zugunsten der »Open Door Policy«, ein Abklatsch des westlichen Kapitalismus, wovon in erster Linie die Kumpanen des Präsidenten und ausländische Investoren profitierten, denen man wichtige Staatsunternehmen überließ. Wie Nasser hat sich auch Sadat kaum Kritik gefallen lassen: Die unter Nasser begonnene Verfolgung oppositioneller Intellektueller wurde von Sadat systematisch vorangetrieben und richtete sich auch gegen jeglichen künstlerischen Ausdruck, der nicht dazu diente, den Regierungskurs zu unterstützen.

1975 wurde Taher als Programmleiter Kultur bei Cairo Radio entlassen, und über seine Werke wurde ein Publikationsverbot verhängt. »Ich fühlte mich als Opfer des Regimes und war sehr wütend«, sagt er. »Rückblickend kann ich aber sagen, dass ich Sadat verstehe. Er glaubte, dass die Probleme Ägyptens sich lösen ließen, indem er Amerika alles gab, was von ihm verlangt wurde. Er glaubte, dass [Frieden und Wohlstand in der Region] zu 99 Prozent in Amerikas Händen lag. Aber er hat sich getäuscht. Ich war und bin der Meinung, dass alles in den Händen der Ägypter liegt, in den Händen der gewöhnlichen Leute.«

Da er in Ägypten seinen Lebensunterhalt nicht mehr verdienen konnte, zog Taher in die Schweiz, wo er während beinahe zwanzig Jahren als Übersetzer bei der UNO gearbeitet hat. Er hat die Situation in seiner Heimat stets aufmerksam verfolgt, und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Muslimen und Christen, ist ihm nicht entgangen. »Mein Vater, der an der Al-Azhar Universität studiert hat und ein religiöser Mann war, hat mich als Kind immer mitgenommen, wenn er seine christlichen Freunde besucht hat, um ihnen an Weihnachten oder an anderen Festtagen Glückwünsche zu überbringen; das war damals so üblich. Damals hat uns nicht gekümmert, welcher Religion unsere Nachbarn angehörten, es wäre uns nicht im Traum eingefallen, Religionszugehörigkeiten als Problem zu betrachten.«

Als Reaktion auf die schleichende Ausbreitung des Sektierertums hat Taher Tante Safija und das Kloster (1991) geschrieben, einen knappen, poetisch dichten Roman, der das tolerante Ägypten seiner Kindheit wieder aufleben lässt. Ein junger Muslim, der aus Notwehr einen Mann umgebracht hat, findet in einem christlichen Kloster Unterschlupf. Das Buch, das in einem oberägyptischen Dorf spielt, ist Hommage und Warnung zugleich, indem es das einst selbstverständliche friedliche Miteinander verschiedener Religionen und Kulturen schildert und zeigt, wohin die zunehmende Spaltung führen kann.

Tahers nächster Roman, Love in Exile (1995), beschäftigt sich mit der Frage, »was schiefgelaufen ist, und was von Anfang an nicht gut war«. Protagonist ist ein Journalist im Exil, der mit der israelischen Besatzung des Libanons klarzukommen versucht und an seinen Gefühlen für eine österreichische Frau zweifelt, die das Ausmaß seiner Wut und Ohnmacht nicht nachvollziehen kann. Love in Exile reflektiert die Enttäuschung der Leute, deren Träume und Hoffnungen von Ereignissen außerhalb ihrer Reichweite zunichte gemacht werden.

Als Taher 1990 nach Ägypten zurückkehrte, hatten sich Land und Leute stark verändert. »Ich musste feststellen, dass die wirtschaflichen Kräfte in Ägypten – so wie vielerorts – irreversible Veränderungen in Individuen und Gesellschaft gleichermaßen herbeigeführt haben.« Damit spricht Taher die wachsende Präsenz ausländischer Investoren und vor allem den neuen konsumorientierten Lebensstil an, der Begehrlichkeiten für Dinge weckt, die sich nur die wenigsten Leute leisten können. Der Roman The Point of Light (2000) untersucht die Gründe für diese Veränderungen. Taher porträtiert drei Generationen von Ägyptern, die sich den physischen und emotionalen Umwälzungen in ihrem Umfeld stellen müssen. In einem alten Quartier in Kairo soll das Haus eines Mannes bald abgerissen werden. Sein Sohn drängt darauf, das Land so schnell wie möglich gewinnbringend zu verkaufen, aber der Vater möchte die Heimstätte und Geschichte der Familie bewahren. Kann der Enkel als Hoffnungsträger, als »Lichtpunkt«, zwischen Alt und Neu eine Brücke schlagen?

Auf die Frage, ob er der Jugend immer noch eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einem anderen, besseren Ägypten zuweist, antwortet Taher, er hoffe es sehr. Seine Hoffnungen seien jedoch von realistischen Bedenken getrübt: Das ägyptische Bildungssystem sei seit Langem mangelhaft und ein erheblicher Teil der Hochschulabsolventen ohne Arbeit. Zudem verwehren die sogenannten Notstandsgesetze, seit der Ermordung Sadats im Jahre 1981 in Kraft, den Bürgern ihr Recht auf faire Prozesse und Versammlungsfreiheit (selbst friedliche Demonstrationen sind nicht erlaubt) und haben die Macht der Sicherheitsapparate maßlos anwachsen lassen.

Im Jahr 2004 hat Taher die »Ägyptische Bewegung für den Wandel« mitbegründet, eine Gruppe von Intellektuellen und Oppositionellen, die das Ende des Ausnahmezustands und der (damals 24-jährigen) Herrschaft Mubaraks forderte. Besser bekannt unter ihrem Motto »Kifaja« (arab. »genug«), rief die Gruppe zum nationalen Protest gegen den Status Quo auf, zu Demonstrationen und zivilem Ungehorsam. Sie hätten gehofft, dass eine breite Bevölkerungsgruppe »ihre Furcht ablegen und ihre politischen und wirtschaftlichen Freiheiten einfordern« würde, sagt der Sprecher der Gruppe, Redakteur einer bekannten regimekritischen Zeitung.

Vor Kurzem hat sich der 75-jährige Taher von Kifaja zurückgezogen, um sich aufs Schreiben zu konzentrieren. »Ich habe an allen Demonstrationen teilgenommen und wurde zusammengeschlagen wie alle anderen auch«, erzählt Taher. »Wir demonstrierten und wurden von der Polizei schikaniert, doch die Passanten schauten uns lediglich zu, ohne auch nur daran zu denken, sich den Protesten anzuschließen, obwohl wir ja dort waren, um unsere Bürgerrechte einzufordern. Was lief hier schief?, fragte ich mich, und kam zum Schluss, dass die Leute den Glauben an die Vorreiterrolle der Intellektuellen verloren haben. Die Bewegung einer kleinen Elite wird zu nichts führen, solange sie die gewöhnlichen Leute nicht einzubinden vermag.« Er sei zwar ein pensionierter Rebell, witzelt Taher, aber er habe die Sache nicht aufgegeben: »Ich tue weiterhin, was ich kann.« 

       

Maria Golia, Prague Writers’ Festival 2010, »Heresy and Rebellion«
http://www.pwf.cz/archivy/texts/articles/bahaa-taher-of-hope-and-remembrance_3109.html

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